Ich mochte immer Science Fiction Filme. Besonders die mit den Zeitreisen. Es gab aber auch welche, die ich nicht so mochte. Das waren die dystopischen Filme, in denen Menschen im Gleichschritt liefen und zu Maschinen geworden waren, ohne es zu bemerken. Dort sah ich Wesen, für die es gefährlich geworden war, etwas zu fühlen oder zu lieben oder selber zu denken. Das waren meine persönlichen Horrorfilme.
Aus dem Nähkästchen meiner persönlichen Wahrnehmung möchte ich nun heute ein wenig plaudern, weil ich in letzter Zeit vermehrt Vorzeichen einer solchen Dystopie bemerke. Und sie fängt an, mich zu gruseln.
Natürlich erzähle ich nicht so gern Gruselgeschichten. Deshalb gibt es am Ende meiner Ausführungen einen hoffnungsvollen Vorschlag für ein anderes Drehbuch.
Wie immer.
Ich mag übrigens Fortschritt. Die Frage ist nur: Fortschritt von was? Fortschritt wohin? Schreiten wir fort in die unendliche Schönheit der Seele oder gleiten wir in den seelenlosen Gleichschritt einer technisierten Welt?
Wie im Film
Wenn ich Bus oder Bahn fahre, sehe ich Menschen mit gesenktem Kopf. Die Augen fixieren ein flaches, rechteckiges Ding, gehalten auf halber Armlänge. Das, was dieses Ding hervorbringt, scheint so faszinierend zu sein, dass man es anderen menschlichen Augenpaaren vorzieht. Im Straßenbild sprechen Menschen mit ihren Kopfhörern im Ohr, während sie schnellen Schrittes allein die Straße entlangeilen. Die ganze Menschheitsfamilie ist miteinander in Kontakt. Nein, nicht so direkt.... über Social Media natürlich. Dort erzählt man sich seine Probleme, setzt sich vor die Kamera und nimmt weitschweifige Gedankenabhandlungen von sich auf, fotografiert sein Mittagsmenü oder lässt seine Muskeln spielen. Man stellt Ferndiagnosen, Menschheitsprognosen oder bestellt Bierdosen.
Zuhause regelt Alexa die Temperatur der Heizung und des Mittagessens. Mit den musikalischen Vorlieben ihrer Besitzer, harmonischem Lichtspiel und dazu passender Lautstärke kennt sie sich aus. Und der Boden ist dank ihrer Steuerung immer blitzeblank. Ich bin nicht so auf dem neusten Stand...öffnet sie inzwischen auch die Fenster, wenn mal frische Luft herein muss?
Kürzlich erhielt ich eine Mail mit dem Vorschlag, meine Newsletter doch künftig von einer künstlichen Intelligenz – KI – schreiben zu lassen. Die würde viel bessere Betreffzeilen finden und knackiger formulieren, was ich zu sagen hätte.
Am Straßenrand prangen Werbeplakate für eine Dating App, bei der sich nicht mehr zwei aneinander interessierte Menschen schreiben, sondern eine künstliche Intelligenz mit einer anderen. So sind die Texte auch viel origineller, sagt man. Kurze Zwischenfrage, bevor ich ganz den Faden verliere: Wer unterhält sich denn jetzt mit wem? Können sich die beiden Dating Partner währenddessen anderen Dingen zuwenden? Zum Beispiel einkaufen gehen? Die beiden KI's unterhalten sich doch so schön miteinander. Das spart ja auch Zeit.
Voller Begeisterung erzählte mir neulich jemand, dass inzwischen Künstliche Intelligenz (KI) Apps auf dem Markt sind, die fast jedes Problem lösen. Also zumindest theoretisch. Man kann sie knifflige Sachen zu komplexen Zusammenhängen fragen und sie bieten dir dann schlaue, scheinbar gut „durchdachte“ Lösungen an. Zum Beispiel zum Fachkräftemangel in Kitas und Schulen, zu trüben Gedanken am Vormittag oder zu Geldproblemen am Monatsende. Diese Apps schreiben auch Doktorarbeiten, hab ich mir sagen lassen. Allerdings ist das offiziell noch ein bisschen verboten. Die KI malt detailgetreue Illustrationen für Kinderbücher oder Bilder im Stil von Rembrandt oder Klimt. Sie dichtet und komponiert. Du musst ihr nur sagen, was du gerne hättest. Soll es eher klassisch sein, romantisch oder experimentell? Wenn du magst, schreibt sie dir einen Roman.
Sag ihr, worum es gehen soll, den Rest macht sie schon.
Unabhängig von all diesen technischen Neuerungen zeigt sich mir zunehmend auch ein anderes Straßenbild, wenn ich unterwegs bin. Eine neue Modefarbe ist offensichtlich beige. Beigegrün, beigerosa, beigeblau, beigeweiß. Erwachsene und Kinder tragen nun gern sanfte Mischfarben, die einander sehr ähneln und nicht so auffallen. Oder wahlweise schwarz. Das kommt mir aus besagten Filmen sehr bekannt vor.
Auch politisch sind wir uns einig, wer die Bösen sind und tragen nur die Farben der Guten. Unsere Toleranz hat nur dann
Grenzen, wenn jemand nicht mitmacht. Also mit dem, was man gerade beschlossen hat, was das Richtige ist.
Man redet jetzt auch mehr. Über das Wetter und seine Gründe, über die Notwendigkeit von Inflation, Welthunger, Transhumanismus und Tierquälerei. Es geht halt leider nicht anders. Man weiß aber,
wer Schuld hat an der misslichen Lage, wie groß die Vorteile der digitalen Welt sind und wie heilbringend genetische Eingriffe wirken. Und wir betonen ohne Unterlass, dass wir uns auf jeden Fall
einig sein müssen. Wir sind alle eins. Mensch...[Sprechpause in Vokallänge]...innen. Alle gleich.
Kinder in der Vorpubertät geraten währenddessen in schwere mentale Not, weil sie sich nicht sicher sind, für welches der 14 neuen Geschlechtstypen sie sich jetzt entscheiden sollen. Sexuelle Experimente und Weitschweifigkeiten lassen die Menschen, die eigentlich echte Nähe und Liebe suchen, immer einsamer zurück.
Wir sind alle so tolerant, vielfältig, interessiert, besorgt und verbunden, dass wir sowohl unsere Zersplitterung, als auch unseren Gleichschritt darin gar nicht bemerken. Ohne unsere Verkleidungen und Statements gehen wir nicht aus dem Haus.
Fragen
Ich frage mich, wem dient es, wenn wir in immer neuen Maskeraden unserer Identität hinterherjagen? Wem dient es, wenn wir
darin alle im Gleichschritt gehen? Wem dient es, wenn die Algorithmen einer künstlichen Intelligenz unser Leben besser kennen als wir selbst? Wem dient es, wenn wir aufhören, einander wirklich zu
begegnen, einander zuzuhören oder uns zu berühren? Wem dient es, wenn die Seele der Kunst, das Handwerk, das Sozialwesen sterben? Wem dient es, wenn das was wir tun, denken und fühlen, zukünftig
von Maschinen gelenkt wird? Wem dient es? Ist das die Vision aller Menschen oder nur die derer, die daraus einen Nutzen ziehen? Welcher Nutzen könnte das sein....?
Was aussieht, als diene es einer neuen Effizienz und mannigfaltigen Individualität, ist bei genauem Hinsehen ein Spiel immer neuer Verkleidungen und Entfremdung, ein Prozess großer Gleichmacherei und Leblosigkeit. Die innere Leere lässt sich damit nicht füllen.
Es scheint, als habe der menschliche Geist den Kontakt zu seiner göttlichen Essenz verloren. Seit Jahrtausenden irrt er nun im Dickicht von Gedanken und Gefühlen umher und weiß den Weg zurück nicht mehr. Doch in dieser Zeit jetzt wirft er das Lasso noch weiter weg von sich selbst. Er erschafft eine Welt künstlicher Perfektion...und riskiert den Verlust seiner Seele.
Hast du schon einmal mit geschlossenen Augen an einer Blüte gerochen? In welchen Farben leuchtet der Himmel? Hörst du das Gras wispern, wenn du auf einer Wiese liegst? Wie klingt das Wasser, wenn es durch einen kleinen Bach fließt? Magst du die Melodie der Stimme Deiner Lieblingsmenschen? Wann hast du das letzte Mal gesungen?
Schau doch mal aufmerksam in das Gesicht eines Kindes, wenn es spielt. Wenn du durch den Wald gehst, fühle den weichen Boden unter deinen Füßen. Wenn du jemanden begrüßt, schau ihm in die Augen. Lass dein Handy mal einen Tag liegen. Wenn du Musik hören willst, mach selber welche.
Wann hast du das letzte Mal nach Elfen gesucht oder mit den Vögeln des Waldes gesprochen? Mit allen Sinnen geschmeckt, was Mutter Erde dir geschenkt hat? Wann hast du das letzte Mal einen Fremden angelächelt? Ein Buch gelesen, Seiten umgeblättert, einem Meister gelauscht? Wann warst du das letzte Mal außer Atem, weil du einen Berg erstiegen hast? Wann hat die Wucht einer Welle dich mal aufs Meer hinausgetragen?
Wann warst du das letzte Mal ganz bei dir?
Mit all unseren Sinnen zurückzukehren zu uns selbst, zur Erde, zur Einfachheit und Direktheit aller Dinge, das ist der Weg der uns trägt und immer schon getragen hat. Der Weg, zu dem wir zurückkehren, wenn alle anderen Versuche gescheitert sind.
Fortschritt kann auch bedeuten, die Dichte alles Erdachten zu überschreiten, die inneren Grenzen immer wieder zu weiten und eins zu werden mit dem Leben selbst, einfacher als einfach – jenseits all unserer Vorstellungen und künstlichen Konstrukte. Für diesen Fortschritt möchte ich einen Vorschlag machen, ein Drehbuch einer ganz anderen Vision:
Wie wäre es, wenn wir unseren Kindern beibringen, mit Tieren zu sprechen und Bäume zu pflanzen. Wie wäre es, wenn wir sie die Erde entdecken lassen. Wie wäre es, ihnen alle Farben zu zeigen und sie Bilder malen zu lassen, die so unnachahmlich und lebendig sind, wie sie selbst. Wie wäre es, sie die Kreisläufe der Natur zu lehren, zu denen Sturm und Regen ebenso gehören, wie Sonnenschein... die Geburt, ebenso wie der Tod. Wie wäre es, wenn wir sie alles berühren lassen, damit sie fühlen lernen. Wie wäre es, wenn wir sie uns nah sein lassen, unverfälscht. Wenn wir ihnen die Stille zeigen. Mitgefühl und Sanftheit. Wie wäre es, wenn wir sie daran erinnern, dass wir das Leben selbst sind. Das Leben, das aus Gottes Hand kam...und immer wieder dahin zurückkehren wird.
Das wäre ein Drehbuch ganz in meinem Sinn.
In deinem auch?
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