Wir leben in einer seltsamen Zeit. Das meine ich weder politisch, noch biologisch oder meteorologisch. Zwar haben die Ereignisse der letzten Monate da auch einiges an ungeahnten Seltsamkeiten, Abgründen und Deutungen hervorgebracht – doch heute soll es in meinen Zeilen um ein viel schwerer zu erfassendes Thema gehen. Etwas, dass spätestens seit dem Zeitalter der Hippies auf die bunteste Weise in aller Munde ist: Erleuchtung!
Von den einen wird sie belächelt, wie der weltabgehobene Traum eines Spinners, von den anderen wird sie auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten als Ware feilgeboten. Inzwischen ahne ich, dass nur sehr wenige Menschen wissen, was es damit im ursprünglichen Sinn auf sich hat.
Anfangs gab es nur wenige Suchende, die sich auf den Weg, zum Beispiel nach Indien machten, in der Hoffnung dort ihren Meister zu finden. Hier und da kann man von ihren Reisen lesen, die in erster Linie Reisen nach innen waren. Voller Entbehrungen und Herausforderungen, voller Frustration und Niederlagen war ihr Pfad. Oft zeigte sich erst nach Jahren oder Jahrzehnten der ernsthaften Hingabe und Suche eine tiefere Wirklichkeit. Doch dieser Weg war nicht sehr populär. Er ist es bis heute nicht.
Kleine Betrachtung in Epochen
Auf der Suche nach dem schnellen Glück wurde es zur Zeit der Flower-Power zunächst hipp, sich einen LSD Trip einzuschmeißen, um die Welt in den leuchtendsten Farben zu sehen. „Love is everywhere“ und „Wir sind alle eins“ war der Slogan unzähliger Kommunen und neugegründeter Ashrams. Die Zahl der Guru's wuchs, doch nicht unter jedem wallenden Gewand verbarg sich auch einer. Blumenketten, geküsste Füße und sandelholzgeschwängerte Luft sorgten aber allzeit für das richtige Flair. Hinter dem Ideal der 'freien Liebe' zeigt(e) sich in so manchem Fall der Schatten des Missbrauchs, der Angst und des Verrats. Die Freiheit, die zelebriert wurde, war eher ein erstes Sprengen moralischer Ketten und Konventionen, als eine wirkliche Freiheit im Geist.
Dann kam eine Zeit, in der es vermehrt Esoterikmessen und Regenbogenfestivals gab. Für eine wachsende Besucherzahl wurden Vorträge gehalten, Karten gelegt, Horoskope erstellt, Heilsteine verkauft, die Hände aufgelegt und Wasser energetisiert. Übrigens alles Dinge, die ich schätze. Nur von heute aus betrachtet, würde ich es nicht in einen Topf mit Spiritualität werfen. Ich sehe es aber durchaus und im besten Sinne als eine praktische Lebenshilfe. Und wie bei allem im Leben, gab und gibt es hier unterschiedliche Qualitäten.
Doch schauen wir noch etwas weiter. In den letzten zwei Jahrzehnten schossen plötzlich frisch Erwachte und Erleuchtete ins Gewirk dieser Zeit, wie Pilze aus dem Boden. Die Phase des Neo-Advaita war geboren. Meist beriefen sich die neuen Lehrer auf Meister wie Papaji, Ramana Maharshi oder Sri Nisargadatta oder deren Schüler. Sie hatten deren Bücher intensiv studiert oder ihre Ashrams oder Darshans (übersetzt: Zusammenkunft in Gegenwart des Göttlichen) besucht, hatten meditiert und auch die Gnade einer inneren Befreiung erfahren. Als neue Lehrer gaben sie nun bereits nach wenigen Monaten selbst Darshans, erzählten von ihren Erfahrungen, gaben Segen oder gute Tipps. Manche sprachen de-personalisiert von sich selbst, schrieben Bücher und sahen sich am Ende ihrer Suche und ihres spirituellen Weges. Es kamen sogar bestimmte Ausdrucksweisen in Mode, wie zum Beispiel: „Hier ist niemand“ oder „Es gibt keinen Weg. Du bist schon da.“ Ich glaube, dass manch einer der Sprechenden wirklich tiefgreifende Öffnungen erlebt hat und dass ihnen Realisationen einer größeren Freiheit widerfahren sind. Aus meiner Sicht vermischten einige dann ihre ersten tieferen Erfahrungen mit guter Psychologie und versuchten den Menschen damit zu helfen. Eine durchaus gute Absicht, wie ich finde. Nur muss man da eine feine Unterscheidung treffen. Wieder andere waren nach ihrem ersten Erwachen einfach auf einer neuen Art von Business-Weg und haben dabei (wahrscheinlich unbewusst) so ziemlich jedes Klischee bedient, das man der Esoterikbranche nachsagt. Doch genau genommen kann und will ich das nicht beurteilen - auch wenn ich manches davon sehr kritisch sehe. Denn es führt Menschen und vor allem Suchende in die Irre und macht ihnen vor, Erwachen oder gar Erleuchtung geschehen quasi über Nacht oder dieser Prozess hätte ein Ende. Doch vielleicht gehören auch diese Täuschung und die spätere Ent-Täuschung zum Weg. Darüber kann ich nichts sagen.
Persönlich-Unpersönlich
Was ich aber durchaus erzählen kann, ist, was ich beobachtet und auf meinem spirituellen Weg selbst erfahren habe. Und hier komme ich zum persönlichen Teil meiner Geschichte.
Ich war lange unterwegs und bin es noch. Bewusst auf der inneren Suche bin ich seit über 30 Jahren. Meine beiden spirituellen Lehrer Eva Maria Tinschert und Frank Huber (bei Interesse findet Ihr hier einen Link) habe ich vor 26 Jahren getroffen. Seither habe ich viele meiner inneren Landschaften gesehen. Schroffe Gebirge, Wüsten und Brachland, aber auch blühende Wiesen, tiefe Seen und sprudelnde Quellen. Große Teile meines Weges fühlen sich rückblickend jedoch an, als wäre ich ihn oft taumelnd oder schlafend gegangen. Mich vorwärtstastend, manchmal auch scheinbar orientierungslos. Ich habe mir unzählige Schrammen geholt, habe mich immer wieder verlaufen und bin in ruhigen Gewässern oft weggepennt. Ich habe manchmal mehr geredet, als wirklich war und bin meiner lebhaften Fantasie genau wie einer Fata Morgana ziemlich oft auf den Leim gegangen.
Jeder Schritt bis hierher war Gnade und knallharte Arbeit zugleich. Und obwohl mich keiner der mich gut kennt für einen Langstreckenläufer halten würde, bin ich einfach immer weiter gegangen. Eins kann ich sagen, von meinem schnelllebigen Geist kann die Kraft nicht gekommen sein!
Erst nach und nach und mit größer werdender Verwunderung beim Blick in die seltsame Welt, erfasse ich, was das eigentlich bedeutet. Die Kraft kommt von woanders her!
Viele Faszinationen und Wünsche, wenn auch noch nicht alle, sind inzwischen wie Feuerwerk am Himmel verglüht.
Ich sehe, dass man mir einen großen Schatz zur Seite gestellt hat: Lehrer, die meinen Weg begleiten. Und zwar unermüdlich und ungebrochen. Ich kann sie nicht zählen, all die Korrekturen die nötig waren. Die Gesten der Liebe und Geduld und auch die donnernden Sätze, die mich ins Mark treffen mussten. Man kann sich ziemlich schnell etwas zurecht basteln und völlig abdriften, wenn man nicht hin und wieder die Einsicht hat, dass es helfen kann, nach dem Weg zu fragen.
Manche Schichten meines inneren Wesens werden jetzt erst, nach über 30 Jahren Weg, beleuchtet. Verborgene Motivationen, blinde Flecken und Irrtümer gleichermaßen, wie gutes Handwerkszeug und mitgebrachte Geschenke.
Und das wirklich Erhellende dabei ist:
Mir dämmert langsam, dass nichts davon meins ist, im Sinne einer Identität. Weder bin ich all das noch gehört es mir. Noch nicht mal ist es so, dass das irgendwas bedeutet. Es ist nur das was sich mir nach und nach offenbart.
Und ja, man kann sich an dieser Stelle ruhig fragen: WEM dämmert's?
Nach all den Jahren ist das tatsächlich eine heilsame Frage ohne Antwort.
Wem widerfährt das? Wer ist Ich?
Mein bisheriges Fazit
Meiner Erfahrung nach ist der innere Weg keine Kurzstrecke. Manche Leuchtfeuer waren nur vorübergehend. Nichts von dem, was in mir wirklich geworden ist, ging wieder weg oder war käuflich. Keinen einzigen Schritt bin ich alleine gegangen, auch wenn es sich zigfach so angefühlt hat. Für mich wäre ein Weg ohne Lehrer nicht möglich gewesen. Dass ich ihnen begegnet bin, ist ein großer Segen. Mir sind durch sie viele REALE Wunder gezeigt wurden. Schon ein einziges davon hätte die Kraft, in ein völlig neues Paradigma einzutreten. Jenseits aller Psychologie, Philosophie, Physik oder Geisteswissenschaften. Völlig jenseits davon!
Nun, vielleicht ist es so, dass es noch etwas Zeit braucht, bis wir Menschen über den Tellerrand unserer Vorstellungen schauen und verstehen, dass der innere Weg kein Ende hat. Und dass das, was wir für das Ende halten, erst der Anfang ist!
Der Anfang von etwas Größerem. Und dann von etwas noch Größerem...
Wir werden darin verloren gehen.
Gott sei Dank!
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