Es kam, dass ein kleiner und ein großer Mensch sich trafen. Sie hatten es nicht im Sinn, es geschah einfach. In etwa so wie Sterne, die wie Schnuppen aus dem Himmel fallen und man hat Glück, wenn sie sich begegnen.
Ja...ungefähr so war es, als sie sich trafen.
Man könnte meinen, dass sie sich noch nie gesehen hatten. Doch sie kannten sich schon aus dem Himmel und aus anderen Umlaufbahnen. Und nun trafen sie sich wieder - in verblüffend unterschiedlichen Körpern. Der eine groß, der andere klein. Der kleine Mensch konnte noch gar nicht sprechen und doch erkannte er jedes Wort, was der große Mensch sagte - auch jene Worte, die er gar nicht aussprach. Und der große Mensch verstand jeden Ton, den der kleine Mensch hervorbrachte, jede Geste war ihm vertraut und nach und nach wurde er sogar ein Meister darin, ganze Sätze und Geschichten in dem kleinen Gesicht zu lesen. Die zwei waren ein gutes Team und es gab Momente, da wunderten sich beide sehr, einander im selben Stück, nur in anderen Rollen wiederzusehen. Oft schmunzelten sie sogar darüber.
Für dieses Mal hatte nun der große Mensch dem kleinen versprochen, ihn ein Stück des Wegs zu begleiten. Durch den Dschungel des Lebens sozusagen.
Er liebte den kleinen Menschen sehr. Und so kam es, dass er ihn anfangs alle Schritte trug. Später dann wäre er manche Wege am liebsten vorweg gegangen. Schließlich war das Leben gefährlich! Er versuchte es immer wieder, doch genauso oft ging das schief. Also rief er dem Kleinen hin und wieder etwas zu. Manchmal leise, manchmal lauter. Aber je weiter der nun wachsende Mensch auf seinen eigenen Wegen vorankam, desto seltener hörte er, was der große Mensch rief. Das Verrückte war, dass der anfangs Kleine nur so lernte, wie man Wege sucht. Und auch, wie man sich einen bahnt, wenn noch keiner da ist. Der große Mensch sah das langsam ein. Also blieb er öfter mal ein Stück zurück und schaute aus der Ferne zu. Und er fand, der größer werdende Mensch schlug sich sehr tapfer! Zwar flogen zuweilen ein paar Bäume und Sträucher umsonst durch die Luft, aber wo gehobelt wird, da fallen eben auch Späne. Auch der Große stapfte manchmal noch ziemlich blind durchs Lebensdickicht und holte sich immer wieder Beulen. Da staunte auch der Kleinere nicht schlecht.
Manchmal trafen sich die beiden auf einer Lichtung und erzählten sich ihre Geschichten. Nicht selten brachen sie dabei in Tränen aus, öfter aber in schallendes Gelächter. Was für ein Spiel! Inzwischen waren beide gleich groß, nur der eine war schon ein bisschen ruhiger geworden. Wann immer sie sich trafen, umarmten sie sich lang – die wichtigen Sachen sprachen sie noch immer ohne Worte. Sie verstanden einander, sie konnten sich lesen. Sie wussten, wer sie sind, obwohl sie schon soviel voneinander gesehen hatten. Es hatte sich nichts geändert.
So ist das, wenn sich Sterne begegnen. Mal sehen sie groß aus, mal sehen sie klein aus. Doch das täuscht. Sie sind nichts als Licht.
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